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Conf. "Archiv fuer Mediengeschichte 16: Medien der Buerokratie"

Deadline: Apr 30, 2016

Call for Papers
Archiv für Mediengeschichte 16 (2016): "Medien der Bürokratie"

Das 16. Heft des Archivs für Mediengeschichte widmet sich den Medien
der Bürokratie. Im Anschluss an soziologische oder parasitologische
Bestimmungen der Bürokratie, wie sie Max Weber, Niklas Luhmann oder
Michel Serres ins Zentrum neuzeitlich-moderner Machtausübung stellen,
soll danach gefragt werden, was es konkret heißt, dass Bürokratien, im
öffentlichen ebenso wie im privaten Leben, unsere Lage bestimmen. Zu
diesem Zweck muss die großformatige Kategorie der Bürokratie auf ihre
kleinteiligen Ermöglichungsbedingungen bezogen werden: Keine Bürokratie
ohne Büros, keine mediengeschichtliche Perspektive auf die Bürokratie
ohne die Untersuchung ihrer räumlichen Situierung, ihrer apparativen
und personalen Ausstattung, ihrer Möblierung sowie jener
Schnittstellen, die bürokratische Akte und das Publikum aufeinander
beziehen und ihren Verkehr regeln.

Die medientechnische Infrastruktur wirkt sich allerdings nicht nur auf
die Verfahren der Bürokratie, also auf Erfassen, Verarbeiten und
Übertragen aus, sondern auch auf die von ihr hervorgebrachten
Professionsrollen und Subjektivierungstypen. Bürokratien sind vor allem
anderen immer auch Aufschreibesysteme, insofern eben ein unaufhörliches
Notieren, Abschreiben, Verzeichnen, Registrieren, Archivieren (und
nicht zu vergessen: Kanzellieren) ihre basale Operativität bestimmt.
Dem Beamten obliegt dabei nicht mehr nur, wie noch unter den
Bedingungen des Absolutismus, die Ausarbeitung der politischen
Tagesbefehle und die Sicherstellung der nötigen Folgebereitschaft der
Bevölkerung. Mediengeschichte sieht sich unter diesen Bedingungen in
der Lage, das Subjekt selbst als einen neuen Typ des Beamten zu
entziffern (Friedrich Kittler), der sich nicht mehr als Sekretär seines
Territorialherrn, sondern als im reformstaatlichen Auftrag operierender
Erzieher oder Funktionär des Menschengeschlechts verstand. Moderne
Bürokratien haben es also mit der Aufgabe zu tun, das Mensch- und
Zusammensein selbst neu zu programmieren sowie die Regeln politischer
Zugehörigkeit (Staaten, Imperien, Weltgesellschaft) und die Mechanismen
der "Daseinsfürsorge" darauf abzustimmen. Bürokratische Aufgaben sind
dabei, wie schon Alan Turing wusste, vor jeder inhaltlichen Spezifik
und unabhängig davon, ob sie von Personen oder Maschinen erledigt
werden, durch die Rigorosität einer Regelbefolgung gekennzeichnet, wie
sie sonst nur mathematische Operationen und religiöse Rituale kennen.

Ausgehend von dieser wechselseitigen Implikation von Bürokratie und
Medien lassen sich einige Felder identifizieren, auf denen dieses
Verhältnis greifbar wird:

1. Räume, Medien, Infrastrukturen
Der Bürokratie wurden immer schon bestimmte Räume für
verwaltungstechnische Aufgaben reserviert und sie wurden umsichtig mit
unterschiedlichen Einrichtungsgegenständen ausgestattet. Schließlich
ist das Bureau, das sich vom altfranzösischen bure oder burel ableitet,
ursprünglich der mit einem besonderen Wollstoff bespannte, also eigens
präparierte Schreibtisch. Das Büro ist sicherlich das prominenteste
Beispiel für einen derartigen Arbeitsraum, in dem die basalen
Kulturtechniken der Bürokratie – Schreiben, Lesen und Rechnen –
ausgeführt werden. Es ist nicht lediglich ein sich historisch
wandelnder, von seiner Umwelt sorgfältig abgeschlossener Raum der
Datenprozessierung, sondern ebenso ein Raum, der vielfältigste, wenn
auch hochselektive Beziehungen zu seinem Außen unterhält. Das Büro muss
gewährleisten, dass unterschiedliche, in der Welt verstreute
Sachverhalte und Ereignisse miteinander verbunden und auf
übersichtlichen Oberflächen zur Darstellung gebracht werden können,
also die Gestalt von behördlichen Mitteilungen, technischen
Zeichnungen, Diagrammen, Photographien oder Filmen annehmen. Damit sind
jene Infrastrukturen angesprochen, deren Aufgabe darin besteht, die
Verfügung der Bürokratie über (analoge und digitale) Daten zu
gewährleisten – und ebenso jene Kulturtechniken, die bürokratische
Medien generieren.

2. Verfahren und ihre Implementierung
Die Bürokratie basiert auf geregelten Verfahren, die eine Entscheidung
bestmöglich legitimieren sollen. Sie sind keine Wahrheitskriterien,
sondern haben die Aufgabe, unterschiedliche Austausch- und
Übersetzungsprozesse anzubahnen, Störungen vorhersehbar zu machen und
"Wahrheit" zu ermitteln, zu prüfen und weiterzugeben. Die Bürokratie
konnte bis in die geheimsten Falten des alltäglichen Lebens vordringen,
weil das Verfahren und die Untersuchung eine mediale Überlegenheit
gegenüber anderen Formen gewährleisteten. Die Bürokratie, nistet sie
sich einmal im Leben der Menschen ein, zählt zu den am schwersten zu
zertrümmernden Gebilden, wie die periodisch wiederkehrenden Kampagnen
der Entbürokratisierung sinnfällig machen. Ihre Zählebigkeit beruht auf
ihrer Fähigkeit, eine Vielzahl von Medien, Kulturtechniken und
Darstellungsformen (Liste, Akte, Dossier, Inventar, Untersuchung,
Staatstafel, Formular, Fragebogen u.a.), aber auch politische Vorgaben
unterschiedlichster Ausrichtung in ihre Verfahren einzubeziehen und die
heterogensten Materien ihrem vielgerühmten Formalismus zu unterwerfen.
Bürokratische Verfahren sind jedoch nicht zwingend öffentlich und
transparent. Aller Publikumszugewandtheit zum Trotz, hat die Bürokratie
ihre Arkana, wie sie im Begriff des 'Amtsgeheimnisses' reflektiert
werden.

3. Subjektivierungstypen und Menschenfassungen
Die Präsentationsformen und Beobachtungen eines Wissens über den
Menschen werden von bürokratischen Medien geprägt. Die
Subjektivierungstypen – die zugleich Subjekt als auch Objekt von
Bürokratien sind – können auf jeweils historisch variierende
Menschenfassungen (Walter Seitter) zurückgeführt werden. Ins Spiel
kommt hier etwa die notorische Beobachtung, dass ab dem 18. Jahrhundert
aufgrund unterschiedlicher (pädagogischer und juristischer)
Medientechniken selbst vormalige Untertanen in die Kulturtechniken
bürokratischer Aufschreibesysteme eingeübt werden. Eine
Medienanthropologie der Bürokratie fragt danach, welche
Subjektivierungstypen und Menschenfassungen die massive
Bürokratisierung des Alltags hervorbrachte – nicht zuletzt durch
medientechnische Innovationen wie den sogenannten Personal Computer,
der die user in ihre eigenen Beamten verwandelt. Ebenso stellt sich die
Frage, wie bürokratische Fremdverwaltung allmählich in Selbstverwaltung
übergeht, indem den Bürgern über spezifische diskursive und mediale
Arrangements eine Mitwirkungspflicht an bürokratischen Verfahren
zugemutet wird. Eine derartige Normalisierung bürokratischer
Machtverfahren, die alltägliche Schreibvorgänge den Standards von
paperwork unterwirft (Guillory, Gitelman), kann zu Phänomenen einer
mitunter grotesken Mimikry an die Sprache der Bürokratie führen, die
die Neugier von Literaten ebenso wie von Juristen und Psychiatern auf
sich zieht.

4. Mediengeschichtliche und regierungstechnische Zäsuren
Die Geschichte der Bürokratie steht in einem relevanten Zusammenhang
mit Medieninnovationen, gouvernementalen Zieländerungen und der durch
sie ausgelösten Weiterentwicklung von Kulturtechniken. Zurzeit wird
dies an Entwicklungen erkennbar, die zu einer Verschränkung von
analogen und digitalen Infrastrukturen im Raum der Verwaltung führen
sowie an den in der Medienwissenschaft ebenso wie in der Jurisprudenz
geführten Debatten zu den Rationalisierungsgewinnen von E-Government.
Eine Mediengeschichte der Bürokratie betrifft sicherlich diese markante
epistemische Schwelle – jedoch nicht ausschließlich. Bürokratien sind
keineswegs eine singuläre Ausprägung des okzidentalen Rationalismus.
Medienwissenschaftler wie Harold Innis und Soziologen wie Karl
Wittfogel haben die Rolle bürokratischer Institutionen für die
Entstehung und Funktionsweise antiker und fernöstlicher Imperien
beschrieben, also für einen Zeitraum, der lange vor den Staatstafeln
eines Leibniz liegt, die dem Fürsten neuzeitlicher Territorialstaaten
umfassend über "Schaden und Nutzbarkeiten" noch der entferntesten Dinge
informieren sollten. Die Bürokratie kann ihre Macht deswegen erhalten
und ausbauen, weil sie die Hybridisierungsfähigkeit besitzt,
unterschiedliche 'neue' und 'alte' Medienformate zu verbinden und weil
sie in der Lage ist, sich auf unterschiedlichste kulturelle und
politische Gegebenheiten und lokale Spezifiken aufzupfropfen. Das gilt
bis hin zu den jüngsten Verwaltungsideen von 'New Public Management'
oder 'Governance'.

Um die Einsendung von Themenvorschlägen einschließlich Abstracts (bis
zu 2.500 Zeichen) und Kurzbiographien an die Redaktion
(mark.potocnik@gmx.de) wird bis zum 30.04.2016 gebeten. Die
ausgearbeiteten Beiträge (bis zu 30.000 Zeichen) sollen bis zum
30.08.2016 bei der Redaktion eingehen.

Herausgeber: Friedrich Balke, Bernhard Siegert, Joseph Vogl

Weitere Informationen zum Archiv für Mediengeschichte unter:
https://www.uni-weimar.de/de/medien/forschung-und-kunst/archiv-fuer-mediengeschichte/
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